„Die Werte des Grundgesetzes sind bindend für alle“

Stirböck beim Zentralrat der Muslime

„Das Grundgesetz sichert die Religionsfreiheit für alle, aber seine Werte sind verbindlich für alle.“

Rede des hessischen FDP-Präsidiumsmitgliedes Oliver Stirböck beim IFTAR des Zentralrats der Muslime

Sehr geehrter Herr Said Barkan, sehr geehrter Imam Mobarak Kounta, sehr geehrter Herr Aiman Mazyek!

Herzlichen Dank für Ihre Einladung! Es ist eine gute Übung, dass viele muslimische Gemeinden und Verbände in Deutschland zu Anlässen wie diesem den Kontakt mit der sogenannten Mehrheitsgesellschaft suchen und ihre Gebräuche, ihre Art, ihren Glauben zu leben, mit eben dieser teilen. Gebräuche wie das Fasten und das Fastenbrechen sind es ja, die alle abrahamitischen Religionen kennen. Und mit der Religion ist es wie im Leben, nur wenn man sich besser kennen lernt, hat man die Chance, sich auch besser zu verstehen. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass man ausgerechnet dort am meisten von den Fremden oder dem Fremden befremdet ist, wo die wenigsten Fremden sind. Wo man sich kennen gelernt hat, nehmen die Vorurteile ab. In meiner Heimatstadt in Offenbach etwa gibt es eben keine Pegida.

Es ist im Übrigen auch sicherlich kein Zufall, dass dort Ressentiments gegenüber Muslimen besonders stark ausgeprägt sind, wo die Gesellschaft am wenigsten religiös ist. Das Ressentiment gilt nicht nur Muslimen, sondern der Bedeutung von Glauben für den Einzelnen insgesamt. Freie Demokraten werden aber immer für das Recht des Einzelnen streiten, seinen Glauben im Rahmen der Werte des Grundgesetzes nach seiner Façon ausüben zu dürfen. „Unser Grundgesetz ist nicht getauft“ (Christian Lindner), es sichert die Religionsfreiheit für alle. Allerdings: seine Werte sind auch bindend für alle. Und jene, die ihren Glauben meinen nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren können, sollen ihn auch nicht hier ausüben. Wenn aber AFDler, wie der Bundespräsidentenkandidat Albrecht Glaser, ein ehemaliger Frankfurter Lokalpolitiker aus der Mitte der Stadtgesellschaft, dem Islam das Grundrecht auf Religionsfreiheit entziehen wollen, dann werden sich Freie Demokraten und dann werden sich sicher alle demokratischen Parteien den Hetzern und Spaltern entgegenstellen.

Unsere im Kern aus dem Jahre 1919 stammende Religionsverfassung ist weise, weil sie aus Elementen der Trennung und der Verbindung zwischen Staat und Kirchen besteht. Und sie ist weise, weil sie auch für ursprünglich nicht mitgedachte Religionsgemeinschaften attraktiv ist. Ihre Größe zeigt sich auch im bekenntnisorientierten, islamischen Religionsunterricht, die dem Gedanken der Religionsverfassung entspricht. Dieser Unterricht ist eben gerade deshalb eine gute Idee, weil er nach staatlichen Curricula/Lehrplänen erteilt wird. Hessen war hier Vorreiter. Die Freien Demokraten in Hessen haben ihn daher seinerzeit durchgesetzt, gegen anfängliche Widerstände des Koalitionspartners. Wir hoffen daher sehr, dass sich alle diesen Unterricht mittragenden muslimischen Organisationen stark genug und würdig zeigen, dem verfassungs- und religionsverfassungsmäßigen Grundprinzipien unseres Landes gerecht zu werden.

Ich sehe es als ein gutes Zeichen, dass hier heute Sprecher aller im Hessischen Landtag vertretenen Parteien bei Ihnen sind – es ist wohl auch ein Stück Solidarität mit einem muslimischen Verband, der auf Ausgleich setzt und der sich immer von extremistischen Positionen abgesetzt hat. In Zeiten, in denen von Barbaren Ihre Religion zum Vorwand genommen wird, zu morden, ist dies ermutigend und auch so wichtig für die Akzeptanz Ihrer Religion. Es ist ein kluger Gedanke, wenn Aiman Mazyek schreibt: „Man kann diesen IS-Mördern keinen größeren Dienst erweisen, als den Islam und die Muslime mit ihrem mörderischen Terrorismus gleichzusetzen. Damit verleiht man terroristischen Ideologen Deutungskraft“.

Für Freie Demokraten hat Terrorismus nichts mit dem Wesenskern des Islam zu tun, sondern er ist eine Entartung, ein Missbrauch. Ähnlich wie es Gewalt auch schon im Namen des Christentums gegeben hat. Organisationen wie die Ihre sind es, die wir brauchen, die Mut machen für ein gutes Miteinander in Vielfalt! Damit die Prägungskraft und die Deutungshoheit über den Islam nicht Islamisten oder Rechtsradikale übernehmen. Damit unsere Gesellschaft funktioniert.