Haushaltsrede 2014: "Was wir tun ist nicht vergeblich"

„Was wir tun ist nicht vergeblich. Verlassen wir also die Lethargie der Vergeblichkeitsfalle, sondern arbeiten mit Leidenschaft, aber auch mit Strategie, Ziel und kühlem Kopf an der Zukunft unserer Stadt.“ In seiner Haushaltsrede setzte sich der FDP-Fraktionsvorsitzende Oliver Stirböck  kritisch mit der Inspirationslosigkeit der Offenbacher Stadtpolitik auseinander. Nachfolgend eine aus den Notizen seiner Rede „nacherzählte“ Version.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Trotz aller desaströsen Haushaltszahlen, sollten wir eines nicht vergessen:

Brüssel, Paris, London, Berlin, Rhein-Main: Wir leben in einer der 5 Kraftzentren Europas.  Und wir sind mittendrin!

  • Ein Weltflughafen – auch wenn er uns manchmal quält um die Ecke
  • 15 Minuten mit der S-Bahn von der Bahndrehscheibe Europas
  • Im Schatten der EZB
  • Die neue Honselbrücke bringt vielleicht auch ein wenig neuen Verkehr, sie bringt uns aber auch noch näher an das Herz dieses Kraftzentrums.

Wir leben in einer Region mit einer unwahrscheinlichen Lebensqualität: Was den Münchnern ihr Starnberger See und die Alpen, das ist für uns die Vielfalt der Mittelgebirge oder etwa die Schönheit des Rheingau. Hier in dieser Region Rhein Main schlägt der ökonomische Herzmuskel Europas. Aber die Region Rhein-Main ist auch eine Region mit Herz, eine Wohlfühlregion. Und wir sind ein Teil davon!

Wir haben daher alle Chancen, der Hafen entwickelt sich, der Wohnungs-Boom kommt in Offenbach an; wir haben alle Chancen, aus der Talsohle herauszukommen. Aber das wird nicht im karnevalesken Klein-Klein mit Kirchturmpolitik gelingen, sondern nur, wenn wir die Chancen der Region nutzen. Von daher freuen wir uns ausdrücklich, dass die Koalition den Mut zur Selbstkorrektur hatte, den Auszug aus der regionalen Wirtschaftsförderung rückgängig zu machen.

Allein der seinerzeitige Ausstiegs-Beschluss ist aber schon Beispiel für die größte Bedrohung für eine gute Entwicklung der Stadt: Fehleinschätzungen, politische Kurzatmigkeit, also politische Asthmatik, schlicht Strategielosigkeit.

Und ich kann es auch nicht mehr hören, dieses sich klein machen, dieses erbetteln von Hilfe anderer. Ja es ist schwierig, ja es gibt negative Einflüsse von außen. Aber an vielen Fehlentwicklungen ist die Stadt selbst mit schuld.

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich mache: Klinikum.

Düsseldorf hat 2007 seine Kliniken an Sana verkauft. Düsseldorf ist seitdem schuldenfrei. Eine Uhr zeigt am Rathaus seit wann die Stadt schuldenfrei ist – nämlich seit 6 Jahren, und 83 Tagen. Im Gegensatz dazu Offenbach: Seitdem 2002 der Antrag der FDP, eine Klinikprivatisierung zu prüfen, abgelehnt wurde, hat das Abenteuer Städtisches Klinikum knapp eine halbe Milliarde Euro gekostet.

Nein, wir sind nicht Düsseldorf, wir haben keine Kö, sondern die Frankfurter Straße. Aber nie wieder will ich etwas von denen, die aus ideologischen Gründen und fehlender analytischer Schärfe sich Veränderungen verweigert haben, etwas von mangelndem, kommunalpolitischem Spielraum hören.

Auch als Mitte 2011 den Letzten hätte klar sein müssen, dass das Klinikum nicht in kommunaler Hand zu halten ist, herrschte wieder die Offenbacher Krankheit: Weggucken, wegducken und „es wird schon gut gehen“:

  • So wurde 2011 der Antrag der FDP für ein Markterkundungsverfahren/Ideenwettbewerb zur Zukunft des Klinikums abgelehnt.
  • Das i-Tüpfelchen war es aber als dieser Klinikdezernent Peter Schneider in völliger Fehleinschätzung der Realitäten das vom RP dann auferlegte Markterkundungsverfahren abgebrochen hat, wegen der Chimäre einer überregionalen kommunalen Lösung, mit dem Ergebnis einer Not-Privatisierung, mit der man sich in Wesentlichen in die Hand eines privaten Unternehmens gab. Folge: ein Verkaufsergebnis 40 Mio. unter dem letzten Angebot des Markterkundungsverfahrens, weitere anfallende laufende Verluste von bis zu 20 Millionen durch späteren Verkauf, eingetretene Vertragsrisiken in Höhe von 50 Mio. Euro, weggefallene Beschäftigungsgarantien. Ich will das ja gar nicht: aber eines muss ich schon sagen: in anderen Städten sind schon Politiker wegen kleineren Missgeschicken zurückgetreten als wegen der Ihrigen, Herr Bürgermeister!

Man muss sich ja nochmal zurück erinnern, nach Abbruch des Markterkundungsverfahrens äußerten Bürgermeister und Oberbürgermeister unisono, dass die angebotenen Preise mindestens 30 Millionen Euro zu niedrig seien. Vor wenigen Wochen erst äußerte sich der Bürgermeister überrascht über das größer als erwarte ausgefallene Defizit. Wie sollen wir eigentlich Vertrauen in das politische Management einer Stadt haben, wenn sie sich in zentralen Fragen, solche groben Fehleinschätzungen leistet?

Was ich damit zeigen will, ist aber vor allem, dass unsere Entscheidungen Einfluss haben. Was wir tun ist nicht vergeblich. Verlassen wir also die Lethargie der Vergeblichkeitsfalle, sondern arbeiten mit Leidenschaft, aber auch mit Strategie, Ziel und kühlem Kopf an der Zukunft unserer Stadt. Diese Koalition bietet stattdessen Dauerstreit, Klein-Klein und – auch ausweislich Ihrer heutigen Reden – seltsame Inspirationslosigkeit.

Um die ehrgeizigen Ziele des Schutzschirms zu erreichen braucht es eines Wachstumsplans für Offenbach:

  1. Im Zweifel für die Wirtschaft

Ohne höhere Gewerbesteuereinnahmen kommt Offenbach nicht aus dem Tal der Tränen.

Wichtig dabei sind flotte Genehmigungsverfahren: Die gewerblichen Bauanträge sollten im Normalfall mindestens binnen eines Monats entschieden werden.

Es ist eine offensive Wirtschaftsförderungspolitik erforderlich. Dazu benötigt es einen Immobilienexperten in der Wirtschaftsförderung und einen aggressiven Vertrieb.

In einem Gesamtkonzept zur Ansiedlung, zu dem vor allem die offensive  Flächenausweisung und -vermarktung gehören, ist die Gewerbesteuer zu senken.

2. Das Stadtmarketing stärken

Offenbach viel besser ist als sein Ruf!  Warum zeigen wir nicht die schönen Seiten unserer Stadt, den Wilhelmsplatz, die Hafenwohnungen und ja, warum nicht ein wenig selbstironisch auch das neue Stadion, mit einem frechen Spruch provokativ auf Großflächen in der Nachbarstadt.

Standortmarketinggesellschaft: Wirtschaftsförderung und Standortmarketing  müssen besser örtlich und personell vernetzt und damit so verstärkt und organisiert werden können, damit eine aktive Akquise möglich wird.

3. Das Tor Offenbachs besser planen

Das Tor Offenbachs „nach Europa und zur Welt“ ist der Kaiserlei – mit S-Bahn und Auto optimal angebunden an zwei große Städte, einen bedeutenden Flughafen und einen  Bahnhof. Trotzdem reüssiert das Gebiet nicht wie geplant. Wir brauchen eine neue Vision und Gesamtplanung für Kaiserlei.

4. Die City stärken

Die Attraktivität eines Standorts wird vor allem an der Attraktivität ihres Kernbereichs  gemessen. Dazu sind wichtig:

  • Günstiges Parken
  • Ausreichend Parkplätze
  • Ein gutes Angebot des ÖPNV
  • Die Weiterentwicklung des öffentlichen Raums (Marktplatz)

5. Bildung zuerst

Bildung muss weiter Schwerpunkt der Investitionen sein. Daher müssen wir an anderer Stelle sparen!

Sparen

Wir müssen nicht nur die Stadt entwickeln wir müssen auch alle Anstrengungen unternehmen, klug zu sparen:

  1. Allgemeines
    1. Für alle größeren Maßnahmen (Investitionen, Anmietungen) ist zur Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung ein Lebenszyklusmodell vorzulegen, damit alle Kosten in Summe und auch Alternativen bei der Beschlussfassung vorliegen.
    2. Für den Ergebnishaushalt sind (event. In Zusammenarbeit mit der Revision bzw. Dem KGRZ/ekom21) sinnvolle Kennzahlen zur Haushaltssteuerung zu erarbeiten (z.B. Betriebskosten / m² oder Kosten pro Ausleihvorgang). Diese sollten in Zusammenarbeit mit vergleichbaren Städten erarbeitet werden (Vergleichbarkeit).
    3. Der Stadtverordnetenversammlung ist zeitnah ein Bericht vorzulegen, welche Verwaltungsaufgaben im Zuge einer interkommunalen Zusammenarbeit mit umliegenden Körperschaften geeignet sind und welche Sparpotentiale sich hierbei ergeben könnten. Bisherige (aktuelle) Projekte der interkommunalen Zusammenarbeit (außerhalb des Metropolgesetzes) sind kurz zu skizzieren.
    4. Zukünftig ist im Investitionsplan auch der Planansatz der Vorjahre aufzunehmen.
    5. Insgesamt ist der Haushalt schwer nicht lesbar, Erklärung bei Veränderungen fehlen, der Jahresabschluss 2012 fehlt und damit realistische Vergleichszahlen
    6. Ergebnishaushalt
      1. Zusammen mit der Stadt Frankfurt ist ein Konzept zur kostengünstigeren Erbringung der Grünpflege zu erarbeiten. Frankfurt und Offenbach haben hier die höchsten Kosten und die gleichen Probleme (hoher Nutzungsdruck).
      2. Finanzhaushalt
        1. Für den Marktplatz / Bieberer Str. ist die Investitionssumme auf 3 Mio. Euro zu begrenzen.
        2. Die Investitionen für das Radverkehrskonzept werden auf 200.000,– p.a. festgesetzt.
        3. Die Investition Freiraumentwicklung Mainbogen (200.000) wird gestrichen.
        4. Für das Projekt Maindamm ist eine mit dem RP abgestimmte preiswertere Planung zu erarbeiten.

Entwickeln und Sparen sind 2 Seiten einer Medaille: nur so kann Offenbach gedeihen, um im regionalen Kontext eine gute Rolle spielen.