Flughafenausbau: Offenbach als am höchsten belastete Stadt setzt sich auch für die Interessen der Region ein

Paul-Gerhard WeißMit Schreiben vom 25. Juni 2008 teilt der Hessische Verwaltungsgerichtshof allen Verfahrensbeteiligten mit, dass beabsichtigt sei, neben dem BUND als Naturschutzverband, der Stadt Kelsterbach als Grundstückseigentümer und einer Fluggesellschaft noch zwei bis drei Verfahren von privaten Klägern oder Kommunen als Musterklagen durchzuführen. Dabei solle ein Verfahren lärmsensible öffentliche Einrichtungen zum Gegenstand haben. Dies ruft bei Paul-Gerhard Weiß, für den Flughafenausbau zuständiger Dezernent des Offenbacher Magistrats, Verwunderung hervor. „Bei insgesamt nur 70 vorliegenden Klagen, davon 18 kommunalen Klagen und 8 Klagen von Luftverkehrsgesellschaften hat die Stadt Offenbach kein Verständnis für die Absicht des Gerichts, zur Straffung des Verfahrens nur noch ein oder zwei Kommunen als Musterkläger auszuwählen. Eine solch verkürzte Auswahl kann nicht die unterschiedlichen Betroffenheiten, die durch den Ausbau des Flughafens im Westen, Norden, Osten und Süden des Flughafens entstehen, abbilden“.

Neben Gebietskörperschaften, bei denen praktisch keine Veränderungen in der Lärmbelastung oder Bauverbotszonen durch den Ausbau entstehen, müssen Kommunen wie Offenbach mit einer massiven flächenmäßigen und absoluten Zunahme der Verlärmung rechnen (siehe Plan). Es gebe, so Weiß, in der Reihe der kommunalen Kläger keinen vergleichbaren Fall für eine Musterklage.
Während im Planungsnullfall die Tagschutzzone 2 (Bauverbot für lärmsensible Einrichtungen) das Oberzentrum Offenbach mit etwa 128 ha (rund 196 Fußballfelder) überlagern würde, vergrößert sich diese Bauverbotszone im Ausbaufall auf 1.820 ha (rund 3.300 Fußballfelder).

Davon betroffen sind zentrale Bereiche der Stadt Offenbach (Kreisfreie Stadt ohne Flächenalternativen und als Oberzentrum durch den Landesentwicklungsplan mit festgelegten Funktionen) zur Versorgung mit wohnortnahen Einrichtungen (Kitas, Schulen, Altenwohnungen, Krankenhaus, etc.). Diese kurze und unvollständige Aufzählung macht deutlich, dass ein
Musterverfahren mit nur ein oder zwei Kommunen nicht die gesamten Folgen des Ausbaus und die vielfältige und deutlich unterschiedliche kommunale Betroffenheit erfassen kann.

Im Sinne eines objektiven und offenen Verfahrens vertritt die Stadt Offenbach die Auffassung, dass zumindest alle klagenden Kommunen, die von der Bauverbotszone nach Fluglärmschutzgesetz erfasst werden, aktive Kläger bleiben müssen. Sollte das Gericht beispielsweise die Stadt Offenbach aus der mündlichen Verhandlung ausschließen, würde der Stadt auch die
Möglichkeit genommen, am ersten Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht teilzunehmen.

Die Stadt Offenbach macht deutlich, dass die Interessen aller betroffenen
Kommunen in der Region in einem mündlichen Verfahren verhandelt werden
müssen. Weiß: „Eine Auswahl auf nur ein oder zwei kommunale Musterkläger
würde die Rechte auf ein faires mündliches Verfahren und die Möglichkeit der
Beweiserhebung in nicht hinnehmbarer Weise verkürzen.“

Gleichermaßen hob Weiß hervor, dass man auch die seitens der
Klägergemeinschaft „Gerechtigkeit für Offenbach“ eingereichten Klagen von 11
Privatpersonen nicht einfach unter den Tisch fallen lassen könne.
Schließlich hätten diese Bürgerinnen und Bürger, die aus einem Pool von 250
Personen ausgewählt wurden und von der Kanzlei Phillip-Gerlach / Tessmer
vertreten werden, ein Anrecht angehört und in ihrer individuellen
Betroffenheit beurteilt zu werden. Bei insgesamt nur 43 Einzelklagen müsse
dies auch möglich sein.
Das vom Hess. VGH avisierte Verfahren ignoriere auch die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichtes, das im Verfahren zum Flughafen Berlin-Schönefeld
alle klagenden Kommunen zugelassen und 60 Einzelklagen mündlich verhandelt
und entschieden habe.

Im Sinne des Rechtsfriedens hält Paul-Gerhard Weiß es für erforderlich, dass alle unterschiedlichen und wesentlichen rechtlichen Aspekte der Betroffenheit durch den Flughafenausbau in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden. Wenige Musterklagen seien im vorliegenden Fall nicht
sachgerecht.