Haushalt 2007

Oliver StirböckEigentlich hat sich in Offenbach in den letzten Jahrzehnten viel getan. Manches hat uns besser gefallen (Büsing-Palais, Fußgängerzone), manches weniger gut (Lesegarten, Hugenottenplatz). Unbestritten sind gleichwohl die hohen Herausforderungen für die aktuelle Generation der Kommunalpolitiker – ob Mehrheit oder Opposition – und die Bürgerschaft.
Mit dem Haushalt 2007 verabschieden wir den 20. Defizithaushalt seit 1986. Darunter sind auch 15 Haushalte, die allgemein als „Sanierungshaushalte“ bezeichnet wurden.

Bei einem kumulierten Fehlbetrag auf Rekordniveau von 366 Millionen Euro, davon 307 Millionen Altdefizit, ist der erwartete Fehlbetrag höher als die erwarteten Einnahmen für das ganze Jahr (235 Millionen Euro). Und: Die Verschuldung der Stadt Offenbach aus regulären Schulden und Kassenkrediten liegt zu Beginn des Jahres 2007 bei 515 Millionen EUR, also damit erstmals über der Grenze von 1 Milliarde DM. Dabei hat die Gewerbesteuer mit 45 Millionen EUR einen Anteil am Verwaltungshaushalt von wahrscheinlich nur rund 15 Prozent. In Rekordjahren lag der Anteil bei rund 30 Prozent. Der Einkommenssteueranteil ist ebenfalls sukzessive gesunken.

Neben rein bundespolitischen Faktoren ist zu konstatieren, dass es weder gelungen ist, einen krisenfesten Branchenmix anzusiedeln, noch den angestrebten Bevölkerungsmix, also eine Bevölkerungsstruktur mit zumindest durchschnittlichem Einkommenssteuerniveau. Also insgesamt eine Struktur, die konjunkturelle Dellen abgefedert.

Ohne Änderungen der Rahmenbedingungen – und da meine ich weniger die konjunkturellen Rahmenbedingungen, sondern das Stichwort „Regionalreform“, werden wir von Schlagworten wie „freie Spitze“ und „vollständiger Abbau der Altdefizite“ Abschied nehmen müssen.

Nicht Abschied nehmen dürfen wir aber von sparsamen und effizienten Wirtschaften. Ebenfalls nicht Abschied nehmen dürfen wir vom Ziel, die Stadt weiterzuentwickeln und neue Akzente zu setzen.

Wir müssen nicht ausgeben lernen, wir müssen Geld richtig ausgeben. Dazu gehört es, dass wir gezielt die weichen Standortfaktoren stärken:

· Schule

1. Die neue Koalition macht Bildung zum Schwerpunkt ihrer Politik. Das Bildungsangebot der Stadt ist ein wesentlicher weicher Standortfaktor. Um den für die Sanierung der Schulen erforderlichen Kraftakt überhaupt leisten zu können, werden die Möglichkeiten des Eingehens von Partnerschaften mit privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen genutzt werden müssen.

In jedem Fall wird es mit dem geplanten Public Private Partnership faktisch einen Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik geben. Der Verzicht auf so genannte Nettoneuverschuldung im Vermögenshaushalt leistete einerseits wertvolle Dienste zur Disziplinierung der Kommunalpolitiker und damit zum Verzicht Prestigeprojekte und zum Verzicht auf Projekte von geringerer Priorität. Es hatte aber auch einen problematischen Kern, weil Investitionen in die Zukunft (ob Straßenbau oder vor allem Schulen) schlicht auf andere Politikergenerationen verschoben wurden.
Viel gefährlicher sind ohnehin die Defizite des Verwaltungshaushaltes, weil hier sozusagen Geld verfrühstückt wird, also Gelder verausgabt werden, denen kein neu geschaffenes vermögen gegenübersteht. Mit der Einführung der Doppik werden wir ohnehin neue Steuerungsinstrumente zur Messung sparsamen Wirtschaftens finden müssen.

· Sauberkeit & Sicherheit

2. Die neue Koalition macht mit ihrem neuen Ordnungsdezernenten Paul-Gerhard Weiß Sauberkeit und Sicherheit zu einem weiteren Schwerpunkt. Deshalb war es für die neue Koalition eine Selbstverständlichkeit, dass angesichts der akuten Bedrohungssituation eine Videoüberwachung an der Ecke Hermann-Steinhäuser Straße/Ziegelstraße/Karlstraße eingeführt wird. Für die Koalition ist es allerdings auch keine Frage, dass Videoüberwachungen an solchen Stellen nicht für immer und Ewigkeit stehen sollen, sondern befristet werden müssen wie wir überhaupt der Auffassung sind, dass Videoüberwachung kein Patentrezept ist.

Wir werden insgesamt die Anstrengungen von Stadt und ESO für mehr Sauberkeit und Sicherheit effektiv koordinieren und verstetigen. Mit dem Projekt „Gib acht auf Offenbach“ werden daher alle Maßnahmen zu einem gemeinsamen Aktionsplan zusammengefasst und Kampagnen initiiert, mit dem Ziel das städtischen Erscheinungsbild aufzuwerten und Bewusstseinsbildung zu betreiben. Auch die Verstöße gegen die Regeln für Sauberkeit sollen durch vermehrten Einsatz von Ordnungskräften verstärkt. Hier ist intensiv darüber nachzudenken, ob dies wirklich durch eine Aufstockung des Personals oder durch einen „Freiwilligen Ordnungsdienst“ zu geschehen hat.

3. Die neue Koalition wird Kurshalten in Sachen Flughafen. Nordwestbahnvariante. Die Ablehnung der Nordwestbahnvariante des Frankfurter Flughafens war der eigentliche „Pakt für Offenbach“, weil hier wirklich von ganz rechts bis ganz links unter Führung des Oberbürgermeisters Gerhard Grandke das gesamte Parlament eine gemeinsame Position vertrat.

Wir wenden uns aber weiterhin gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern gegen weitere Belastungen durch den Fluglärm. Denn die Grenze der Belastbarkeit Offenbachs ist bereits jetzt überschritten. Der Regionalplan macht deutlich, dass durch das prognostizierte Luftverkehrsaufkommen von über 700.000 Flugbewegungen für 2020 in der jetzt geplanten Ausbauvariante Nordwest mit der dann vorgesehenen Belegung der An- und Abflugrouten 75 Prozent des Offenbacher Stadtgebietes eine Siedlungsbeschränkung gilt.

Wir werden unseren liberalen Flughafendezernenten und den eingeschlagenen Rechtswege auch weiterhin ohne Vorbehalte unterstützen.

Die weichen Standortfaktoren sind wichtig für die Stadtentwicklung.

Wir warnen allerdings davor, nebensächliche Spielwiesen Einzelner als „weichen Standortfaktors“ und damit als wesentlichen Beitrag zur Lösung der Probleme der Stadt zu euphemisieren.

Und wir warnen davor den Einfluss der weichen Standortfaktoren auf die Wirtschaftsentwicklung zu überschätzen. Entscheidend für die Ansiedlung von Gewerbesteuerzahlern bleiben die harten Standortfaktoren:

· Trotz Leerständen muss das Flächenangebot daher weiter ausgebaut werden, um an unterschiedlichen Stellen der Stadt unterschiedliche Flächenbouquets darstellen, in Zeiten der Hochkonjunktur neues Gewerbe ansiedeln und damit die Gewerbesteuererlössituation verbessern zu können. Der heute vorliegende Bebauungsplan geht daher in die richtige Richtung (selbstverständlich mit der Ermöglichung von Park & Ride, P& R ist wichtig für die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsträger und darf nicht einer übersteigerten ÖPNV-Idoelogie zum Opfer fallen). Dieser Bebauungsplan darf aber nicht das Ende unserer Phantasie sein.

· Wir müssen gezielt Branchen ansiedeln, die zur Stadt passen und die unsere Stadt braucht. Vor diesem Hintergrund sind auch die Baumaßnahmen rund um die Hochschule für Gestaltung zu sehen. Die Änderungsanträge der CDU, die das Ziel verfolgen, Mittel für die Schlossstraße für andere Maßnahmen zu verfrühstücken, sind also nicht nur falsch, weil die jetzt noch etatisierten Mittel im Gesamtzusammenhang mit bereits verausgabten Mittel zu sehen sind. Sie gefährden auch das Ziel über eine Verbesserung des HfG-Umfelds, die HFG und damit den Design- und Kommunikationsstandort Offenbach zu stärken.

· Den Weg Offenbachs als Dienstleistungsstandort auszubauen bleibt richtig. Es wäre allerdings auch wünschenswert, wenn es auch gelänge, arbeitsplatzintensive Zukunftsbranchen jenseits der Bürotätigkeiten verstärkt in Offenbach anzusiedeln – wie etwa aus der Entsorgungsbranche.

· Wir müssen gemeinsam mit der Offenbacher Wirtschaft und der Wirtschaftsförderung Auswirkungen der Höhe des Gewerbesteuersatzes der Stadt Offenbach im Wettbewerb zur Hebesteuersatzentwicklung der Stadt Frankfurt und des Umlandes ständig im Auge haben. Es geht hierbei nicht um eine Steuersenkungsideologie, sondern ganz pragmatisch um die Findung des für die Erlössituation der Stadt Offenbach mittel- und langfristig optimalen Hebesatz.

Immer wieder müssen wir auch die Effizienz der Stadtverwaltung und vor allem der Unternehmen des Stadtkonzerns überprüfen. Nach Auffassung der FDP darf weder partielles Insourcing noch dürfen weitere echte Privatisierungen städtischer Aufgaben ein Tabu sein. Wir sollten den Prozess der Veräußerung städtischen Vermögens weiter vorsichtig vorantreiben. Wenn andere Besitzverhältnisse sinnvoller sind, sind diese anzustreben.

Die neue Koalition nimmt als lagerübergreifende Koalition der Mitte die Herausforderungen schon beinahe zwangsläufig ohne ideologische Scheuklappen an. Die neue Koalition macht dabei auch neue Politik. Schwerpunkte wie Schulbau und Sauberkeit beweisen dies. Bürgerliche Politik, also Politik für den Bürger – keine spießbürgerliche Politik – wird in Offenbach von dieser Koalition gemacht.