Neujahrsbrief des FDP-Fraktionsvorsitzenden

Demut vor der Aufgabe des Regierens

Sehr geehrte Damen und Herren,

das politische Jahr neigt sich dem Ende entgegen.  Es brachte für uns mit 9,6 Prozent das drittbeste FDP-Ergebnis hessenweit, das beste Ergebnis der Stadtgeschichte und sieben Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. In der Folge wurden wir Teil einer neuen Koalition mit CDU, Grünen und Freien Wählern. Der Koalitionsvertrag hat von uns – verantwortbare – Kompromisse abverlangt, aber er trägt in seinen Schwerpunkten Wirtschaft, Stadtplanung, Bildung und Ordnung eine klare freidemokratische Handschrift.

Was wir getan haben: Schwerpunkte der Stadtpolitik neu justiert

Die neue Koalition und alle ihre Partner gehen mit großem Elan und großer Gewissenhaftigkeit an die Aufgaben heran. Wir haben die Schwerpunkte der Stadtpolitik neu justiert. Es wurden die Grundlagen geschaffen, um Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing neu aufzustellen, die bessere Vermarktung der östlichen Gewerbegebiete haben wir mit dem B448-Beschluss in die Wege geleitet und wir haben neue Baugebiete beschlossen, für die wir beschleunigt Baurecht schaffen wollen – alles Maßnahmen, zu denen die Vorgängerkoalition keine Kraft mehr hatte, Maßnahmen, mit denen wir das Fundament für qualitatives Wachstum der Stadt legen wollen. Etwa mit der Stabsstelle „Sauberes Offenbach“ versuchen wir auch Verwahrlosungstendenzen wieder offensiver entgegentreten.

In der Bildungspolitik wollen wir das Schulbauprogramm zukunftssicher aufstellen. Dabei hilft die analytische und ausgleichende Art unseres Bildungsdezernenten Paul-Gerhard Weiß. Die Menschen schätzen ihn.

Was wir als nächstes angehen werden

In den kommenden Monaten werden wir zentrale planungspolitische Entscheidungen zu treffen haben, Bauprojekte wie Marktplatz, Toy´s R Us und andere geben uns die einzigartige Chance, die Offenbacher Innenstadt an zentralen Stellen von Bausünden zu befreien und den Einzelhandel zu revitalisieren. Dazu wollen wir etwa ein Einzelhandelskonzept sowie verkehrliche Maßnahmen auf den Weg bringen, die den Einzelhandel fördern (z.B. auch Rückvergütungssystem bei Parkgebühren für Kunden des Einzelhandels anstoßen). Zur aktuellen Stadtstrategie und unseren Schwerpunkten haben wir uns ausführlich im Rahmen der Haushaltsdebatte geäußert: http://fdp-of.de/meldung/haushaltsrede/

Was uns Sorgen bereitet

Etwas entglitten erscheint mir derzeit manchmal die Art der politischen Auseinandersetzung. Selbstverständlich gehören im Ringen um die besten politischen Positionen auch Zuspitzungen dazu, um Unterschiede kenntlich zu machen. Manchmal wirkt es aber so, als steige der Schlachtenlärm je geringer die faktischen Unterschiede sind. Einige grobschlächtige Äußerungen aus den letzten Wochen haben mich zutiefst befremdet. Sollten wir nicht bei aller Überzeugtheit von der eigenen Position uns nicht immer auch der Restwahrscheinlichkeit bewusst sein, der politische Gegner könnte nicht vielleicht doch Recht haben? Es wird jedenfalls unser Anspruch als Freie Demokraten sein, der Opposition zuzuhören, gute Ideen aufzunehmen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Aus der Vielfalt der Ideen etwas zu machen, eine Idee für die Stadt zu entwickeln und diese dann kompetent umzusetzen, darin zeigt sich gutes Regieren. Das einfache „Wir sind halt gut – die anderen schlecht“, wie es in der Haushaltsdebatte zeitweise anklang, ist zu schlicht.

Oberbürgermeisterwahl keine Richtungswahl

Die CDU-Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters, Jutta Nothacker, beglückwünschen wir zu ihrer Nominierung. Ihre Papierform macht sie zu einer respektablen Kandidatin. Ich teile jedoch ausdrücklich nicht die Äußerung Nothackers bei der Oberbürgermeisterwahl handele sich es um eine „Richtungswahl“. In der derzeitig aufgeheizten Stimmung, aber zugleich existenziellen Situation der Stadt wünsche ich mir einen Oberbürgermeister, der es versteht, die politischen Lager zusammenzuführen und der nach außen glaubwürdig  für eine positive Gesamtentwicklung unserer Stadt steht. Wir sind daher neugierig, die Kandidatin und etwaige andere Kandidaten persönlich kennen zu lernen und vorurteilsfrei zu prüfen. Vor diesem Hintergrund sollten wir dann auch die Entscheidung über einen möglichen eigenen Kandidaten treffen.

Demut vor der Aufgabe des Regierens

Das Regieren ist gerade für die Ehrenamtlichen eine besondere Herausforderung. Nicht nur zeitlich. Plötzlich genügt es nicht, einige wohlfeile Vorschläge zu unterbreiten oder mal eine halbwegs gute Rede zu halten. Nicht das Erzählte reicht, das Erreichte zählt. Man spürt auf einmal nicht nur eine abstrakte, sondern eine ganz direkte Verantwortung für Millionen Euro, für die Stadt und ihre Bürger. Dabei muss man lernen, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen, mit Kompromissen und auch mit Fehlern zu leben und manchmal auch mit der Erkenntnis der Beschränktheit der eigenen Mittel. Demut vor dieser Aufgabe ist jedenfalls nie falsch. Daher möchte ich mich  an dieser Stelle ganz besonders bei meinen ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen in Stadtverordnetenversammlung und Magistrat bedanken, die sich dieser beschriebenen Herausforderung stellen. Ich bedanke mich für die kollegiale und freundschaftliche Zusammenarbeit und für das offene Gesprächsklima, das nötig ist, um zu besten Lösungen zu kommen, bei Eva Dude (ehrenamtlicher Magistrat), Dr. Vera Langer (stv. Fraktionsvorsitzende), Dominik Schwagereit (stv. Stadtverordnetenvorsteher, Planungsexperte), Matthias Heusel (stv. Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses), Georg Schneider und Monika Rinke (Sozialexperten) und Dr. Henning Stumpp (Bildungs- und Kulturexperte). Unsere beiden „Profis“ Paul-Gerhard Weiß und Fraktionsgeschäftsführer Peter Engemann sind uns dabei wichtige Ratgeber. Herzlichen Dank.

Regieren prägt. Verantwortung prägt. Unsere Regierungszeit 2006-2011 hat uns geprägt. Kritiker anderer Parteien haben uns und gerade auch mir vorgeworfen, danach nicht mehr in der Opposition angekommen zu sein, nicht schonungslos genug die Regierenden oder den OB angegriffen zu haben. Manche versuchten Bilder zu stellen, die uns gleichsam als deren verlängerten Arm darzustellen suchten. Wir haben dessen ungeachtet unverdrossen unseren eigenen Stil gepflegt, mit Kritik nicht gespart, aber versucht, sie angemessen und fair zu gestalten. Ausnahmen bestätigen die Regel – wir sind auch nur Menschen. Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass das so richtig ist, die Bürger wollen Unterschiede sehen, aber sind befremdet über eine selbstzweckartige Angriffigkeit. Da liegt kein Segen drauf. Die landesweit viel beachteten 9,6 Prozent bei den Kommunalwahlen zeigen mir, dass wir damit so falsch nicht gelegen haben. Wir machen es auch künftig auf unsere Art und Weise: lösungsorientiert und optimistisch. So wollen wir es zumindest versuchen. Und dabei nicht vergessen: Wir haben Regierungsverantwortung mit übernommen, aber nicht die Stadt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

vor den aktuellen Ereignissen wirkt das, was wir lokal machen noch kleiner. Die schrecklichen Ereignisse von Berlin bestürzen uns alle. Doch gerade jetzt bleibt es unser Auftrag, mitzuhelfen, dass unser Gemeinwesen vor Ort weiter funktioniert, dass wir für das Zusammenleben unterschiedlicher Religionen und Kulturen auf Basis der Werte unseres Grundgesetzes werben. Dazu gehört der gegenseitige Respekt gegenüber dem, der anders denkt, anders aussieht, anders glaubt oder anders liebt.

In diesem Sinne wünscht Ihnen das Rathausteam ein frohes Fest und frohes neues Jahr!

Ihr

Oliver Stirböck
(Fraktionsvorsitzender)

PS: Auch im neuen Jahr freuen wir uns auf Ihre Anregungen und auch auf Ihre Manöverkritik (stirboeck@fdp-of.de)