Gesinnung hilft jetzt nicht weiter

Oliver StirböckDie in der Flughafenfrage zu treffenden Entscheidungen sollten nicht unter dem Gesichtspunkt der Kampagnefähigkeit bei der kommenden Landtagswahl oder unter dem Gesichtspunkt lupenreiner Gesinnung, sondern rein orientiert am Interesse der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt getroffen werden, meint FDP-Fraktionschef Oliver Stirböck

Rede in der Stadtverordnetenversammlung am 10.1.07 (Oliver Stirböck):

Mit dem Ablauf der Frist für die Einwendungen im Planfeststellungsverfahren, den auf Hochtouren laufenden Vorbereitungen für eine mögliche Klage der Stadt Offenbach, aber auch mit der zunehmenden, wenn auch nur wagen Konkretisierung der Verhandlungen im Regionalen Dialogforum laufen wir zweifelsohne auf die Zielgerade in der jahrelangen Auseinandersetzung der Stadt Offenbach gegen die Nordwestbahnvariante des Frankfurter Flughafens.

Wir haben mit unseren Beschlüssen, die der heutigen Beschlussfassung voran gingen, nicht nur die Klagen der Stadt Offenbach im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gleichsam in Auftrag gegeben und den juristischen Kampf unterstützt, sondern auch Öffentlichkeit mobilisieren und vor allem den Einsatz unserer überregionalen Abgeordneten für unsere Stadt unterstützen und flankieren wollen.

Unter diesen gab es jene, die koste, was es wolle, konsequent die Offenbacher Position vertreten haben. Und deshalb ist es mir an dieser Stelle ein Bedürfnis, unserem regionalen Mandatsträger Ferdinand Walther für seinen entschiedenen Einsatz – trotz aller im Raume stehenden Drohungen eines möglichen Fraktionsausschlusses im Regionalparlament wegen der im besten Sinne Penetranz seines Vorgehens – herzlich danken. Ferdi war im besten und aufrechtesten Sinne immer ein Offenbacher Volksvertreter, auf den Verlass war.

Und dann gab es auf die anderen…Aber das ist eine andere Geschichte.

Zumal wir an dieser Stelle auf die Gemeinsamkeit aller Offenbacher Fraktionen hinweisen wollen, dass auch die Offenbacher CDU und ihr Vorsitzender Stefan Grüttner immer wieder betont haben, dass es das gute Recht der Stadt Offenbach ist, den Klageweg zu beschreiten, um sozusagen im verfahrensmäßigen Abwägungsprozess, und dem dahinter stehenden formalisierten Interessensausgleich die eigenen Chancen zu wahren.

Was meines Erachtens immer ihr einziger Denkfehler war und noch ist, ist die Tatsache, dass Teil dieser Abwägung auch politische Entscheidungen sind, dass das Verfahren sozusagen nicht ein institutionalisierter herrschaftsfreier Diskurs ist, sondern die fachplanerischen Entscheidung, aber auch die gerichtliche Entscheidung zumindest ein Stück weit – so war es zumindest unverhohlen die Absicht und Hoffung der Landesebene – durch die Entscheidung über den Landesentwicklungsplan auf Landesebene den politischen Willen dieser – miteinbeziehen soll.

Die im Raume stehende mögliche Klage und die Verhandlungen sind 2 Seiten 1 Medaille, mit 1 Ziel: möglichst wenig Lärm über Offenbach! Und genau das steht in unserem gemeinsamen Antrag zum Anti-Lärm-Pakt drin.

Denn es ist ja nicht so, dass die Fraport einen Millionen schweren Umzug deshalb in Kauf nimmt und mit den Anliegergemeinden verhandelt, weil – mit Verlaub – der Tarek Al-Wazir so fetzige Reden im Landtag hält und fetzige Pressemitteilungen schreibt. Nur die Gefahr von Klagen hält Fraport im ernsthaften Dialog. Und wenn man sich bei Fraport umhört, dann sind es vor allem die Torpedos der Stadt Offenbach die dort für Aufregung sorgen und ganze Armaden von Mitarbeitern ins Schwitzen bringen. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der FDP-Fraktion für die fachlich versierte und kreative Arbeit der Fachleute um Faulenbach da Costa herzlich bedanken.

Und ich kann mir die kleine Bemerkung nicht verkneifen: Es würde nicht nur dem ein oder anderen Offenbacher Christdemokraten gut anstehen mal mit Faulenbach da Costa zu diskutieren, dann würde auch zumindest jeder der sich hier zum Flughafen äußert auch verstehen, was seine eigene Fraktion nach langen Formulierungs- und Abstimmungsprozessen mit anderen Fraktionen eingebracht hat. Es ist immer nur der weise, der weiß, dass er selbst nicht alles weiß.

Und ein bisschen weise finde ich auch die Formulierung in unserem Antrag: Ohne substanzielle Lärmminderung über Offenbach kann es weder zu einem Klageverzicht der Stadt Offenbach noch zu einer Rücknahme der Einwendungen im Planfeststellungsverfahren kommen.

Denn es darf uns auf der einen Seite auf der Zielgerade nicht die Puste ausgehen und nicht der Mut und die Entschlossenheit verlassen. Den Kotau vor der Fraport, die bisher keine ausreichende Beweglichkeit gezeigt hat, das Kriterium der Belastungsgerechtigkeit und damit die besondere Dramatik einer weiteren Einflugschneise über Offenbach anzuerkennen, den darf es nicht geben.

Anders als etwa bei der Erweiterung des Wiener Flughafens hat sich Fraport einem ernsthaften Dialog über die gerechte Verteilung von Vor- und Nachteilen des Frankfurter Flughafens über viele Jahre verweigert. In Wien wurden neben der Reduktion von Flugbewegungen in der Nachtkernzeit, etwa auch die Flugbewegungen in den Nachtrandzeiten festgeschrieben, sind etwa die Belegungszahlen für Pistenrichtungen und die Flugwege selbst festgelegt worden. Dagegen hat die Fraport bis vor kurzem nicht einmal dem Gedanken näher treten wollen, die Anflugverfahren so zu verändern, dass sie Offenbach ein Stück weit entlasteten oder die Startbahn 18 West als Landebahn in einer Art Querwindbahnsystem zu nutzen.

Ich bin skeptisch, dass es gelingen wird, wirklich die substanzielle Verbesserungen zu erreichen, aber auf der anderen Seite dürfen wir auch die Tür zu Verhandlungen dürfen wir in der Schlussphase nicht zuschlagen, um zu eruieren, ob dieser Weg weiterführend ist, beim gemeinsamen Ziel, möglichst weiteren Fluglärm über Offenbach zu verhindern und vorhandenen Fluglärm zu minimieren.
Und natürlich wissen wir dabei alle, dass die Verhandlungen im Rahmen des RDF, in die die rotgrüne Koalition seinerzeit eingestiegen ist, eine ausbaubegleitende Maßnahme ist und nichts anderes.

Ich persönlich gehöre zu jenen, die nicht nur die Nordbahnvarianten des Frankfurter Flughafens, sondern – anders als eine Mehrheit dieses Hauses, wahrscheinlich meiner Fraktion, auch die Südbahnvarianten vehement abgelehnt haben und ablehnen, nicht weil ich gegen den Flugverkehr wäre oder grundsätzlich Entwicklungsperspektiven dieses Flughafens abgelehnt hätte. Beide Varianten sind aber Varianten der Lärmkonzentration und verstoßen damit gegen das Prinzip der Belastungsgerechtigkeit/Demokratisierung des Lärms.

In dieser Phase hilft uns aber das Pflegen der eigenen Gesinnung wenig. Die Motive und Absichten unseres Handelns sind vielleicht interessant aber irrelvant. Relevant sind die Folgen, ist was hinten rauskommt. Wir selbst werden bei künftigen Entscheidungen abzuwägen haben, wie wir faktisch das Ziel erreichen, Fluglärm über Offenbach zu minimieren.

Und deshalb möchte ich zum Schluss an alle Seiten dieses Hause appellieren, möglicherweise anstehende Entscheidungen nicht unter dem Gesichtspunkt der Kampagnefähigkeit bei der kommenden Landtagswahl oder unter dem Gesichtspunkt lupenreiner Gesinnung, sondern rein orientiert am Interesse der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zu treffen. Nicht diejenigen, die die radikalste Position und Vorgehensweise, nicht diejenigen, die die reine Lehre propagieren, müssen auch zwangsläufig das für Offenbach beste Ergebnis erzielen. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt die Wahrscheinlichkeit substanzieller Verhandlungserfolge äußerst gering, bleiben aber sowohl Gespräche mit Fraport – im Dialogforum – als auch eine Nordbahnklage mögliche zu Gebote stehende Mittel.