Versuch einer kritischen Würdigung der Amtszeit von Horst Schneider

19.01.2018

Die erste Verhandlung zwischen den damaligen Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP, Horst Schneider und mir, ist bezeichnend für Stärke und Schwäche des scheidenden Oberbürgermeisters. Schneider wollte Dezernent werden und dafür die Stimmen der damals oppositionellen FDP. Als Gegenleistung brachte er mit: nichts. Bis heute ist er beseelt von der Überzeugungskraft seiner Argumente und von dem Optimismus, dass es irgendwie gut werden wird. Für einen Offenbacher OB keine schlechte Voraussetzung. Seine Nonchalance jedoch stand ihm mehr als einmal im Weg. Wir stimmten damals natürlich gegen ihn. Gewählt wurde er trotzdem. Es war wieder einmal gut gegangen.

OB Horst Schneider hatte ein schweres Erbe angetreten. Er folgte dem zurecht weithin geachteten Gerhard Grandke. Dieser hatte die Verwaltung modernisiert und einen strikten Sparkurs veranlasst. In der Öffentlichkeit herrschte die Meinung vor, Offenbach sei saniert. Dabei konnte auch Kämmerer Grandke gerade mal 2 von 15 Haushalten operativ ausgleichen. Schneider fehlte die Leidenschaft seines Vorgängers für Haushaltszahlen. Trotzdem entstammt seiner kurzen Zeit, in der er als OB auch Kämmerer war, eine wichtige Erkenntnis. Diese stellte freilich einen bewussten und notwendigen Bruch mit der jüngeren Vergangenheit dar: „Sparen allein reicht nicht aus. Offenbach muss aus der Krise herauswachsen“, schrieb er 2006 in sein „Haushaltssanierungskonzept“. Sein Hauptaugenmerk richtete er daher auf eine offensive Stadtentwicklung, vernachlässigte Investitionen in die Schulen, Kontakte zur Wirtschaft und weiche Themen wie Sport und Kultur. Als Offenbacher Bub hatte er ein feines Verständnis für die Stadt. Und als einer der wenigen seiner Politiker-Generation auch eine Idee. Besonders brannte er für Stadtgestaltung. Weil sich die größten Narben der Stadt gerade dort befinden, wo es für das Image einer Stadt entscheidend ist, formulierte er schon früh, was heute Allgemeingut ist: „Offenbach muss aus dem Kern heraus entwickelt werden“. Kritiker brachten vor, Schneider habe sich mit seinen unzähligen innerstädtischen Stadtverschönerungsprojekten ein Denkmal setzen wollen. Dieser Vorwurf gehörte zu den vielen unfairen Vorhaltungen, derer er sich erwehren musste. Ästhet Schneider hat ein ausgeprägtes Gefühl für Schönes. Daher suchte er, Offenbach ein attraktiveres Antlitz zu geben und so die Stadt wettbewerbsfähig zu machen. Augenfällig ist, dass es unter seiner Ägide keine wirkliche städtebauliche Sünde gab.

Seine Kritiker stellten das Bild, er sei gleichsam oberflächlich. Er verstand sich in der Tat nicht als besserer Sachbearbeiter, hatte aber eine beachtliche Fähigkeit, aus komplexer Materie politisches Relevantes herauszulesen. Anders Gepolte trieb er damit bis zuletzt zur Weißglut. Als Mann der „großen Linie“ erkannte er früh, dass das benachbarte Frankfurt für Offenbach ein Standortvorteil ist. Die vormals gepflegte Rivalität beider Städte sei etwas für Fußball und Fassnacht, befand er. Er legte daher größten Wert auf Nachbarschaftspflege, die dann auch die letzte Hürde für die Hafenentwicklung überwinden half. Sein Wunsch eines stärkeren regionalen Zusammenspiels blieb jedoch eine gefällige Überschrift, nennenswerte regionalpolitische Initiativen erfolgten nicht aus ihr. Andererseits fehlten dafür auch Mitspieler. Sein Hang zu Symbolik, seine außergewöhnliche Kreativität, die auch mal noch nicht fertig Gedachtes öffentlich gebar und seine locker-flapsige Art gefielen nicht jedem. Wenn er sich in die erste Reihe setzte, machte dies wohl wegen Größe und sportlicher Figur auf Manche einen leicht geckenhaften Eindruck, der dem im Kern bescheidenen und hilfsbereiten Menschen Horst Schneider nicht gerecht wird. Die Verfolgung seiner Person durch einige Kontrahenten hat ihm mehr genutzt als geschadet. Mag er bei Koalitionsbildungen auch mal Parteionkel gewesen sein, seiner eigenen Partei mutete er am meisten zu. Gegen heftige Widerstände entriss er ihr den zuvor üblichen Zugriff auf den Stadtkonzern und erwartete auch sonst selbstredend Zustimmung zu seinen Projekten. Unter seinen Parteifreunden machte das Wort vom Sonnenkönig die Runde. Schneider hat sich bis zum Schluss mit Verve für seine Ziele eingesetzt, vielleicht fehlte ihm – nach 12 Jahren verständlich – die Ambition noch mal etwas ganz anders zu machen, etwa bei der Wirtschaftsförderung. Von der gestalterischen Ambitionslosigkeit der Kanzlerin aber war er weit entfernt. Er wollte populär sein. Nie aber hätte er sich zu unverantwortlichem Populismus gegen Teile der Bürgerschaft treiben lassen.

Unter den Kollegen in der Region ragte er mit seiner Ausstrahlung heraus. Er war im regionalen, aber auch im Vergleich der Offenbacher Amtsträger ein großer OB. Mit seinem kommunikativen Talent hätte er „mehr“ werden können. Aber wahrscheinlich war genau diese Aufgabe sein Lebenstraum. Andere haben auf ihre Plakate gedruckt, sie wollten Offenbach besser machen. Horst Schneider hat es getan. Mehr als 12 Jahre lang. Die Freien Demokraten haben ihn bei keiner Kandidatur unterstützt. Zum Abschluss seiner Amtszeit verneigen sie sich mit Respekt vor seiner Lebensleistung für diese Stadt.